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Chancen und Risiken von digitalem Zentralbankgeld

Aktualisiert: 12. Nov. 2021


Wer beim Stichwort «Digitalwährung» an Bitcoin denkt, befindet sich in guter Gesellschaft. Kaum jemand denkt bei diesem Thema zuerst an einen E-Dollar oder einen digitalen Euro. Konkurrenz belebt aber bekanntlich das Geschäft. So zumindest lässt sich erklären, weshalb sich plötzlich so viele Notenbanken für digitales Geld interessieren.


In den vergangenen Monaten äusserten sich nämlich gleich mehrere Institutionen zu dem Thema. Der Vorsitzende der US-Notenbank Fed sprach darüber, Chinas Notenbank lanciert jede Woche eine Neuigkeit und sowohl die Bank of Japan als auch die EZB haben entsprechende Studien veröffentlicht.


Das unterstreicht, dass das Thema bei den Währungshütern angekommen ist und sie zunehmend fürchten, wegen privater Währungen und Zahlungssysteme an Einfluss zu verlieren. Bargeld war lange die Domäne der Zentralbanken. Doch sie bröckelt.


Was ist digitales Notenbankgeld?


Digitales Notenbankgeld (kurz: CBDC - Central Bank Digital Currency) ist eine Währung, die von einer Zentralbank ausgegeben wird, allerdings nur in digitaler Form und nicht als Banknoten bzw. -münzen. Es handelt sich dabei um eine „Fiat-Währung“ eines Landes, die gleichzeitig eine Forderung an die Zentralbank darstellt.

Anstatt Geld zu drucken, gibt die Zentralbank elektronische Münzen oder Konten aus, die durch die Kreditwürdigkeit und das Vertrauen in die Regierung gedeckt sind. Die elektronische Währung ist eins zu eins in physisches Geld eintauschbar.


Und was ist es nicht?


Digitales Notenbankgeld ist weder dezentral, noch ist es in der Menge beschränkt, wie das etwa bei Bitcoin oder Gold der Fall ist. Anders als Bargeld oder Bitcoin ist digitales Notenbankgeld auch nicht anonym, schließlich liegen alle Transaktionen zentral gespeichert bei der Zentralbank des Landes. Das lässt sich gut mit der Aufgabe begründen, dass illegale Machenschaften vermieden werden müssten.


Der Wettlauf hat begonnen.


Der dezentral, für jeden erhältliche Bitcoin oder Ethereum, aber auch Alipay, WeChat Pay, M-Pesa und Libra/Diem stellen eine zunehmende Gefahr für die Notenbanken der Welt dar. Das ist der Hauptgrund für ihr wachsendes Interesse an CBDCs. Wenn wir Transaktionen auch ausserhalb des Wirkungskreises von Notenbanken effektiv tätigen können, entfällt der Zugriff und die Kontrolle, die Staaten bisher über ihre Notenbanken auf den Geldkreislauf haben.


Zudem prescht die chinesische Zentralbank voran. Anfang 2021 hat der digitale Yuan alle Testphasen erfolgreich absolviert, erste Geldautomaten sind im Land aufgestellt und auch die ersten Gehälter sind bereits von der offiziellen Wallet in die Wallets der Arbeitnehmer geflossen. Damit setzt China die Notenbanken anderer Länder unter Zugzwang. Denn wer zuerst kommt, kann bis zu einem gewissen Grad die Spielregeln bestimmen.


Und was machen die Banken?


Treten Notenbanken auf das Parkett, dürfte ihr digitales Geld ohne Gegenparteirisiko auf rege Nachfrage stossen. Im Gegensatz zu Privatbanken müssten die Kunden bei den Zentralbanken nämlich nicht den Verlust ihres Ersparten bei einer Bankinsolvenz befürchten.


Grundsätzlich lassen sich zwei Einsatzgebiete für digitales Notenbankgeld unterscheiden: Einerseits könnte nur Geschäftsbanken und anderen Finanzmarktakteuren Zugang zu CBDC gewährt werden. Andererseits könnten auch alle Privathaushalte und Unternehmen Zugang erhalten.


Ist Ersteres keine neue Idee – digitale Sichtguthaben bei der Zentralbank existieren schliesslich schon seit langer Zeit –, käme der Übergang zu einem digitalen Euro für jedermann einer kleinen Revolution gleich.

Und die Wahrscheinlichkeit einer solchen Revolution steigt, da private Zahlungssysteme immer wichtiger werden – zum einen dank technischer Fortschritte, zum anderen dank des rasch wachsenden Onlinehandels.


Entscheidend ist auch die Frage, ob die Notenbank auf ihrem elektronischen Geld Zinsen bezahlt – wodurch es einem Bankdepot gleichen und zur möglichen Bedrohung von Geschäftsbanken würde. Sie müssten dann beginnen, mit höheren Zinsen um Kundeneinlagen zu buhlen.


Währungshüter hätten mit einer digitalen Währung die Möglichkeit, ihre Geldpolitik viel rascher und effektiver umzusetzen, ohne Umwege über das Bankensystem. Ist auch das Bargeld abgeschafft, könnten sie auch tief negative Zinsen durchsetzen. Heute sind solchen Massnahmen Grenzen gesetzt, da auf Bargeld keine Negativzinsen berechnet werden können.

Selbstverständlich beteuern die Notenbanken, sie werden an Cash festhalten. Doch führt die Zentralbank erstmal digitales Geld ein, das genügend Benutzer vom Bargeld abzieht, wäre es nur ein kleiner Schritt, seine Verwendung aus Kosten- und Effizienzgründen zu beenden.

Ein Wechsel zu digitalem Zentralbankgeld würde also das heutige zweistufige Bankensystem infrage stellen. Die Notenbank träte als eigentliche Geschäftsbank auf und würde eine Rolle übernehmen, die heute dem Privatsektor zukommt. Damit könnte die Finanzmarktstabilität gefährdet werden, denn im Krisenfall wäre das Risiko eines Bankensturmes erhöht.


Es scheint wenig wahrscheinlich, dass große Zentralbanken wie die EZB in Sachen CBDC zu den Vorreitern gehören werden. Technische Aspekte sowie der Umgang mit der Privatsphäre sind noch lange nicht geklärt. Und so zögern und hadern viele Notenbanken noch. Doch der Geist ist aus der Flasche und eifrige Entwickler setzen bereits neue Standards. Die Chinesen werden vielleicht den Weg weisen.




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