Immer mehr Anleger investieren in Kryptowährungen – und nehmen dabei hohe Kursschwankungen in Kauf. Stablecoins sollen das nun ändern: Sie sind mit Dollar, Gold oder anderen Sachwerten besichert – und versprechen so Wertstabilität. Ob das klappt?
Kryptowährungen boomen. Mittlerweile akzeptieren immer mehr Anbieter das Bezahlen von Einkäufen mit Bitcoin, Privatanleger setzen auf Bitcoin-Wertpapiere zum Vermögensaufbau und Großinvestoren sowie Unternehmen wie Tesla legen ihr Firmen-Vermögen in Kryptoassets an. Für den endgültigen Durchbruch sowie die verbreitete Nutzung auch im Einzelhandel fehlt es den Digitalmünzen allerdings bislang an einer zentralen Funktion: Geldmittel sollten wertstabil sein, damit sie sich für einen universellen Gebrauch eignen. Bitcoin leistet das (noch) nicht.
Deswegen hat die Krypto-Welt sogenannte Stable Coins geschaffen. Wie der Name schon sagt sollen die zu Deutsch „stabilen Münzen“ Stabilität in den sonst so volatilen Krypto-Finanzmarkt bringen.Dabei folgen sie ausgerechnet einem geldpolitischen Prinzip, das herkömmliche Zentralbank Ende des 20. Jahrhunderts abgeschafft haben: Stable Coins fungieren als eine Art „neuer Goldstandard“.
Bis in die 1970er Jahre bestand ein Währungssystem, in dem eine Währungseinheit durch den Wert einer feststehenden Menge von Feingold definiert war. Damals konnte etwa jeder US-Bürger 35 Dollar gegen eine Feinunze (31,1 Gramm) eintauschen. So sorgte die Regierung dafür, dass die Menschen dem gedrucktem Papiergeld vertrauen. Denn im Gegensatz zum Warengeld (Gold, Silber, Reis, Tabak etc.) ist Fiatgeld an sich quasi wertlos. Erst durch die Rückendeckung der staatlichen Organisation und das Vertrauen der Bevölkerung erlangte das herkömmliche Zentralbankengeld einen Wert.
Absichern in der Kryptowelt
Stablecoins sollen nun auch den Wert von Kryptowährungen besichern. Indem sie die Digitalmünzen an analoge Währungen wie zum Beispiel den US-Dollar, Sachwerte wie Edelmetalle oder aber andere Kryptowährungen koppeln, decken sie deren Wert.
Der Vorteil der Stablecoins liegt auf der Hand: Erwartet ein Investor zum Beispiel, dass der Bitcoin gegenüber dem US-Dollar an Wert verliert und möchte sich mit Fiatgeld dagegen absichern – also sein Krypto-Vermögen gegen US-Dollar tauschen – kann er das mithilfe von Stable Coins tun, ohne dabei Fiatgeld halten zu müssen. Krypto-Investoren können sich also gegen Kursverluste in der Krypto-Welt absichern, ohne jemals die Krypto-Welt verlassen zu müssen.
Mit dem Kauf von Stablecoins versuchen Anleger also die Volatilität ihrer Krypto-Portfolios einzuschränken. Insbesondere seit dem jüngsten Kurseinbruch bei Bitcoin immer mehr Menschen ihre Gelder aus Kryptospekulationen in Tether geparkt. Die Marktkapitalisierung von Tether beläuft sich inzwischen auf über 60 Milliarden Euro – damit ist USDT die drittgrößte aller Kryptowährungen nach Bitcoin und Ethereum. Auch der zweitgrößte Stablecoin, der USD Coin, ist unter den Top Ten der Digitalwährungen zu finden – hier werden mehr als 26 Milliarden Euro gelagert.
Doch Tether und Circle sind nur zwei der zahlreichen Stablecoins, die derzeit im Blockchain-Universum entstehen. Unterteilt werden sie in vier Arten, die mit verschiedenen Mechanismen Wertstabilität garantieren sollen:
Absicherung durch Fiat-Währungen
Diese Stablecoins sind an herkömmliche Währungen gekoppelt, sie repräsentieren also beispielweise den Wert eines 100-Dollar-Scheins in der digitalen Welt. Meist handelt es sich dabei um einen Anspruch auf die Auszahlung des besichernden Assets.
Bei Tether beispielsweise müssen die Käufer einen physischen US-Dollar für jeden Tether, den sie erwerben möchten, hinterlegen. Der Stable Coin ist also im Verhältnis 1:1 mit US-Dollar besichert. Auch der USD Coin sich jedem Zeitpunkt gegen einen realen US-Dollar eintauschen. Das ist möglich, weil Centre, das Konsortium, das den USD Coin herausgibt, für jeden USD Coin einen US-Dollar bei einer Bank hinterlegt. Dadurch ist die Kryptowährung zu jeder Zeit gedeckt – zumindest in der Theorie.
Oft ist die Absicherung von Stablecoins nicht hundertprozentig zugesichert. In ihren kleingedruckten Service-Bedingungen behalten sich Unternehmen oft das Recht vor, die Auszahlung der Coins zu verzögern, falls es zu einem Mangel an Liquidität oder sogar Verlust der Reserven kommt. Beim Tether-Anbieter heißt es beispielsweise, es gibt „keine Gewährleistung darüber ab, ob Tether Coins, die auf der Website gehandelt werden können, zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft auf der Website gehandelt werden können.” Auch öffentlich relativierte das Unternehmen kürzlich sein Versprechen – der USDT sei demnach von einem Korb verschiedener Wertpapiere, nicht alleinig vom US-Dollar, gedeckt. Hundertprozentige Sicherheit klingt anders.
Absicherung durch Rohstoffe
Ein anderer Ansatz für Stablecoins besteht darin, Kryptowährungen mit einem Rohstoff zu besichern, der als Wertanlage gilt – etwa mit einem Edelmetall wie Gold. Dem Stablecoin Digix Gold (DGX) zum Beispiel liegt als Basiswert ein Gramm Gold zugrunde. Ein weiteres Beispiel für einen gold-besicherten Stablecoin ist MELD Gold (MCAU), aber auch Stablecoins, die auf dem Ölpreis basieren oder ganze Währungskörbe abbilden sind bereits verfügbar.
Zwar sind Rohstoffe nicht unbedingt die preisstabilsten Vermögenswerte, existieren aber schon seit sehr langer Zeit am Markt, wodurch Investoren deren Kursentwicklung über viele Jahre hinweg analysieren können, um daraus Preismuster und zukünftige Trends abzuleiten. Dadurch können Anleger, die Kursbewegungen eines bestimmten Rohstoffs verstehen, einen Stablecoin, der auf diesem Rohstoff basiert, gezielt einsetzen, um Kursschwankungen bei andere Kryptoassets auszugleichen. Denn wenn sich der Wert des Basiswerts ändert, etwa Gold an Wert gewinnt, dann steigt auch der Preis des Stablecoins. Daher sind diese Münzen nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern auch eine Investition in die zugrunde liegende Ware.
Doch aufgepasst: Ein Investorenschutz besteht nicht. Bei einer Insolvenz des Anbieters besteht daher keine Einlagensicherung, das einbezahlte Geld ist verloren.
Doch aufgepasst: Ein Investorenschutz besteht nicht. Bei einer Insolvenz des Anbieters besteht daher keine Einlagensicherung, das einbezahlte Geld ist verloren.
Absicherung durch andere Kryptowährungen
Diese Stablecoins sind mit anderen digitalen Währungen verbunden und wollen über das sogenannte „Überbesicherungsprotokoll“ Stabilität bieten. Dabei wird der Stablecoin besichert, indem der Anleger eine Einzahlung tätigt, die größer ist als der Wert der verknüpften Kryptowährung, um die Volatilität aufzufangen.
Um 200 Euro an Stablecoins zu sichern, muss der Investor zum Beispiel 400 Euro an Kryptowährungen hinterlegen. In den meisten Fällen ist dieses doppelte Verhältnis hoch genug, um zu verhindern, dass die Volatilität der Kryptowährung, die den Stablecoin besichert, dessen Wert beeinflusst. Fällt die Kryptowährung um 25 Prozent, wären zwar statt 400 Euro nur noch 300 Euro verfügbar, allerdings reicht das immer noch aus, um für jeden der 200 besicherten Stablecoins 1 Dollar zu erhalten.
Aber warum sollte man eine so große Menge an Kryptowährungen einzahlen, um nur einen Bruchteil an Stablecoins zu sichern?
Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens erhält der Anleger für seine Einlagen Zinsen, die meist deutlich höher liegen als die Zinsen auf Spareinlagen bei klassischen Bankkonten. Zudem können zusätzliche Stablecoins über eine finanzielle Hebelwirkung erzeugt werden, wovon der Emittent profitiert.
Aber Vorsicht: Wenn bei krypto-besicherten Stablecoins der Kurs der Sicherheiten unter den Wert der Stablecoins fällt, die sie stützen, wird der Stablecoin liquidiert. Für Investoren bedeutet das neben der ohnehin schon größeren Volatilität der zugrunde liegenden Sicherheiten auch ein höheres Liquidationsrisiko – ein Grund dafür, weshalb diese Art der Stablecoins bislang nicht den gleichen Beliebtheitsgrad wie klassisch besicherte Stablecoins erreichen konnte.
Ein Beispiel für einen krypto-besicherten Stablecoin ist der Dai von MakerDAO, der mit Ether besichert ist, der sUSD von Synthetix oder den neueren LUSD von Liquity. DAI und sUSD erfordern Besicherungsquoten von 150 beziehungsweise 600 Prozent (!) und die Sicherheiten werden für die liquidiert, wenn diese Schwelle überschritten wird.
Algorithmische Absicherung
Bei der algorithmischen Absicherung wird keine Sicherheit hinterlegt, stattdessen sollen automatisierte An- und Verkauf-Algorithmen für Wertstabilität sorgen. Im Prinzip funktionieren algorithmische Stablecoins ähnlich wie eine Zentralbank – nur eben automatisch und dezentral.
Dabei steuert das Protokoll Angebot und Nachfrage nach einem Stablecoin dynamisch, um die Bindung zu einem bestimmten Basiswert, beispielswiese zu einem US-Dollar, aufrechtzuerhalten.
Steigt der Kurs über den angestrebten Basiswert, dann wirft der Algorithmus mehr Coins auf den Markt und erhöht so künstlichen die Nachfrage, wodurch der Kurs wieder auf einen US-Dollar sinken sollte. Bei inflationären Tendenzen hingegen reduziert der Algorithmus das Angebot, wodurch die Kaufkraft des Coins wieder steigt.
Die Regeln für die An- und Verkäufe sind in einem Smart Contract eingebettet, geändert werden können sie nur durch sozialen Konsens der Programmierer oder Abstimmungen, die an einen Governance/Seigniorage-Token gebunden sind.
Zwar benötigen die Algo-Stablecoins keinen Intermediär und verursachen dadurch weniger Transaktionskosten. Allerdings fehlt es ihnen bislang an Vertrauen unter Anlegern. Denn im Gegensatz zu den anderen Kategorien, die ihr Vertrauen größtenteils aus den Sicherheiten, mit denen sie unterlegt sind, beziehen, können sie kein mit einem anderen Wert besichertes Werteversprechen geben. Zudem gibt es protokollspezifische Risiken, wie beispielsweise unsachgemäß durchgeführte Liquidationen oder fehlerhafte An- und Verkäufe.
Fazit: Gutes (und Schlechtes) aus zwei Welten
Stablecoins sind der Versuch, die Vorteile von Fiatwährungen – insbesondere deren Wertstabilität und Vertrauen – auf Digitalwährungen zu übertragen und so für mehr Stabilität und Sicherheit am Krypto-Finanzmarkt zu sorgen. Investoren sollten ihr Geld dennoch nicht überstürzt in Stablecoins stecken, sondern darauf achten, wer als sichernde Institution hinter der digitalen Münze steht und auch das Kleingedruckte lesen. Je nach Hintergrund lässt sich das Risiko einschätzen und hohe finanzielle Verluste vorbeugen.
Opmerkingen